Geothermische Bohrung als Quelle – Wesseling: Umweltaspekte entschieden
Ein 500 Meter langer Bach plätschert durch Eichholz in Wesseling bei Köln. Er quillt als Grundwasser aus dem Bohrloch einer geothermischen Abteufung und endet in einer idyllischen Teichanlage als Schluckbrunnen. Dte 33 Wärmepumpen der 32 Einfamilienhäuser und des Mehrfamilienhauses des Neubaugebiets speisen in diesen Bach ein und aus. Wegen des Umweltgewinns, in den auch die wohnattraktive Quartiersgestaltung hinein fiel, erhielt diese Lösung den Vorzug vor der ursprünglich angedachten wirtschaftlicheren Brennwerttechnik.
Zwei weitere Wohnanlagen sowie eine Kindertagesstätte sollen bis 2019 folgen. Der Startschuss für das semizentrale Wärmepumpensystem – zentrale Wasserbereitstellung als Wärmequelle für dezentral eingebaute Wärmepumpen – fiel bereits in 2014 zusammen mit der Erstellung der Erschließungsstraßen. Mit der Herstellung des Saugund des Schluckbrunnens wurde im Oktober 2015 begonnen. Das Saugrohr besteht aus zusammengesteckten Abschnitten von Edelstahlfilterrohr und PVC-Vollrohr mit einem Durchmesser von 250 mm. Die Tiefe des Saugbrunnens beträgt 28,5 Meter, die beiden porösen Filterrohrabschnitte, die das Grundwasser aufnehmen, befinden sich in rund 18 und 27 Meter Tiefe. Der Schluckbrunnen im Teich reicht bis 25 Meter tief. Das Rohr weist ebenfalls zwei Auslässe auf, nämlich in 14 Meter Tiefe und unten im Grund.
Schnittstelle hinter Wärmetauscher
Die Vor- und Rücklaufleitungen liegen in einem Graben. Da die Hausanschlüsse wie bei der Trinkwasserversorgung mittels Ventilanbohrschellen angeschlossen werden, muss die genaue Lage der Hausanschlüsse bei Verlegung der Hauptleitungen nicht bekannt sein. Insgesamt kalkulieren die Anlagenbauer mit ca. 2.500 Meter HDPE-Rohre (Vor- und Rücklauf) mit Außendurchmessern von 63 Millimeter bis 125 Millimeter für die beiden Bauabschnitte. Die Systemgrenze zwischen Versorger (Stadtwerke Wesseling) und Kunden befindet sich hinter dem Wärmetauscher bzw. den zugehörigen Absperrventilen. Das heißt, die Auswahl der Wärmepumpe ist Sache der Eigentümer bzw. des Bauträgers, der GWG Wohnungsgesellschaft mbH Rhein-Erft. Die Wärmepumpen sollten auch zur Warmwassererzeugung eingesetzt werden. Der Schwankungsbereich der Grundwassertemperatur liegt zwischen 10 °C im Winter und maximal 12 °C im Sommer.
Die Fertigstellung des ersten Abschnitts einschließlich der Maschinen-, E-, MSR- und Prozessleittechnik erfolgte im April 2016. Im Mai darauf floss erstmalig der Bach und speiste das semizentrale Wärmepumpensystems. Im April 2017 schlossen die Arbeiten am erweiterten Wassernetz für den zweiten Bauabschnitt ab: Wasser nimmt in dem erschlossenen Wohngebiet einen großen Stellenwert ein. Das Niederschlagswasser wird oberflächennah über Rinnen „grünen Fingern“ zugeführt wie auch dem Bach und von dort in eine zentrale Versickerungsanlage (Grüne Mitte) eingeleitet. Bach und Schluckbrunnen (Teich) sind auf eine maximale Beschickungsmenge von 10 1/s ausgelegt.
Politischer Aufwind
Warum die Rheinschiene sich besonders für Wärmepumpen eignet, weiß Martin Kosub, der technische Leiter der Stadtwerke Wesseling GmbH: ,,Die Rheinschiene kennt sehr gute hydrogeologische Verhältnisse. Der Grundwasserflurabstand liegt im Bereich des Neubaugebietes bei durchschnittlich ca. 10 Meter unter der Geländeoberkante. Die wassergefüllte Mächtigkeit des Grundwasserleiters beträgt 15 bis 20 Meter und weist somit eine hohe Ergiebigkeit auf.“ Diese Potenziale nutzen zu können, war für den KlimaKreis Köln, der das Projekt fördert, ursprünglich gar nicht so leicht. 2010, als ein erster Konzeptentwurf vorgelegt wurde, konnte der Nachweis der Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur konventionellen Gasbrennwerttechnik nicht erbracht werden. Die ersten 55 Häuser erhielten deshalb ein Gasnetz für die Wärmeversorgung. In 2012 führte der Bauträ-ger eine erneute Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die nächsten 160 Häusern des Versorgungsgebiets und für ein semizentrales Wärmepumpensystem durch. Er setzte des Weiteren ein Grundwasserströmungs- und Wärmetransportmodell zur Simulation der Temperaturveränderung im Abstrom des Grundwasserleiters ein. Anhand der Berechnungsergebnisse konnte festgestellt werden, dass es zu keinem hydrothermischen Kurzschluss zwischen Saug- und Schluckbrunnen kommen wird. Allerdings konnte nach wie vor keine Wirtschaftlichkeit dargestellt werden. Die konventionelle Wärmeversorgung mittels Gas-Brennwerttechnik schnitt wieder günstiger ab. Also blieb es zu Beginn dieses Erschließungsabschnitts beim Gasnetz.
Erst der aufkeimende politische Aufwind für regenerative Ener- gien machte die Wärmeversorgung via Wärmepumpe wieder aktuell und ließ Stadtwerke Wesseling und GWG Wohnungsgesellschaft mbH Rhein-Edt für den letzten Abschnitt der Wohnanlage von der Gasversorgung zugunsten des semizentralen Wärmepumpensystems abrücken. 2018 sollen nach heutigem Stand der Planung ein Teilkomplex sowie die Kindertagesstätte angeschlossen sein und 2019 die restlichen Häuser dieses Quartiers.
Verschiedene Fördergelder
Aktuell weist der derzeitige Stand der Kostenermittlung Investitionskosten für die Wärmeversorgung (ohne Wärmepumpen) in Höhe von insgesamt ca. 785.000 € (netto) einschließlich Einbindung des Bachlaufes (Speisung mit Rücklaufwasser aus dem Wärmepumpensystem) auf. Der KlimaKreis Köln hat für dieses Projekt eine Fördersumme von insgesamt 91.600 € ausgelobt. Zusätzlich hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle für Wärmepumpen in neu errichteten Gebäuden ein sogenanntes Innovationsförderprogramm aufgelegt. Hier entspricht das förderfähige Anlagenkonzept 4 „Wärmepumpe mit Wärmequelle kalte Nahwärme“ (Wärmepumpen mit verbesserter Systemeffizienz) dem vorgestellten Konzept in Wesseling. Die Fördersumme beträgt 4.000 € je Wärmepumpe. Hinzu kommt zur Zeit noch die Förderung für die Wärmeübergabestation und den Hausanschluss in Höhe von 1.500 € (bis 25 kW) durch progres.nrw (Programm für Rationelle Energieverwendung, Regenerative Energien und Energiesparen – Programmbereich Markteinführung, Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz NRW).